Donnerstag, 17. November 2011 02:20 - Von Brigitte Schmiemann
Die
Treberhilfe Berlin steht anderthalb Jahre nach der "Maserati-Affäre"
ihres Gründers Harald Ehlert vor dem Aus. Am Dienstag hat das
Sozialunternehmen beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz beantragt.
Jetzt brauchen das gemeinnützige Unternehmen und die 147 Beschäftigten -
jahrelang das Vorzeigeunternehmen in der Obdachlosenhilfe - selbst
Hilfe. Wegen ausstehender Sozialbeiträge stellte auch die
Bundesknappschaft einen Insolvenzantrag.
4,5 Millionen Euro
Schulden hat der Betrieb insgesamt angehäuft. Davon sind laut Auskunft
des vorläufigen Insolvenzverwalters Christian Köhler-Ma von der
Rechtsanwaltskanzlei Leonhardt allein 1,2 Millionen Euro für ausstehende
Löhne und Gehälter. Mit der Auszahlung ist die Treberhilfe bereits mehr
als drei Monate im Rückstand. "Weitere 1,6 Millionen Euro
Verbindlichkeiten gibt es bei Vermietungen von Wohnungen, in denen die
"Klienten" der Treberhilfe wohnen. Sie sollen durch die Schieflage des
Unternehmens möglichst keinen Schaden nehmen. "Wir bemühen uns mit allen
Mitteln, dass kein Obdachloser, der über die Treberhilfe eine Wohnung
erhalten hat, erneut auf der Straße landet", sagte Rechtsanwalt
Köhler-Ma. Es seien allerdings mehr als 100 Räumungsklagen bei rund 500
Mietverträgen für Klienten der Treberhilfe anhängig, weil Mieten nicht
gezahlt wurden.
Köhler-Ma machte sich Mittwochnachmittag gleich
auf den Weg zur Berliner Senatssozialverwaltung, denn als größter Kunde
der Treberhilfe habe sie ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, wie es
weitergeht. Köhler-Ma verhandelt nach eigener Auskunft bereits mit einem
Interessenten, der den Geschäftsbetrieb fortführen möchte.
Außerdem
will er erreichen, dass die Mitarbeiter zwei der drei ihnen zustehenden
Monate Insolvenzgeld schnell erhalten, nicht erst im kommenden Jahr wie
es sonst üblich sei. Die Aussichten, dass der Insolvenzverwalter eine
zukunftsträchtige Lösung für das angeschlagene Unternehmen erreicht,
stufte er als "nicht einfach" ein. Die Gesellschaft habe erhebliche
Schulden aufgehäuft und erst sehr spät einen Insolvenzantrag gestellt,
kritisierte der Rechtsanwalt. Dennoch sei er verhalten optimistisch. Auf
die Frage, ob Harald Ehlert als Gesellschafter aus dem Unternehmen noch
Geld erhalten könnte, sagte Köhler-Ma generell: "Ein Gesellschafter
erhält nur Geld, wenn alle Gläubiger bezahlt sind." Faktisch gebe es
aber kein Geld.
Die Stimmung bei den Mitarbeitern der
Treberhilfe, die im vergangenen Sommer jede Woche vor der
Senatssozialverwaltung demonstriert hatten, als das Land Berlin dem
Unternehmen die Verträge gekündigt hatte, ist längst im Keller. Immerhin
seien die Beschäftigten gestern von der Geschäftsführung über den
Insolvenzantrag informiert worden, sagte Betriebsratsvorsitzender Ralf
Bittner. Die vergangenen Monate seien ohnehin schon sehr schwierig
gewesen. "Viele Mitarbeiter haben das Unternehmen verlassen, weil sie
nicht mehr gewillt waren, nach außen rechtfertigen zu müssen, was sie
gar nicht zu vertreten hatten." Die jetzige Klarheit sei nach Monaten
der Turbulenzen, in denen das Unternehmen immer wieder negative
Schlagzeilen machte, auch ganz erleichternd.
Der Skandal um die
Treberhilfe war ausgelöst worden, nachdem der Dienstwagen des damaligen
Geschäftsführers Harald Ehlert, ein Maserati, mit zu hohem Tempo
geblitzt worden war. Ehlert geriet in die bundesweite Kritik, nachdem
öffentlich wurde, dass der Chef eines Sozialunternehmens sich einen
Maserati samt Chauffeur leistet. Aus der Dienstwagen-Affäre zog Ehlert
zwar die Konsequenz, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen und
nur noch als Gesellschafter der gGmbH zu agieren, doch aus den
Negativ-Schlagzeilen kam das Unternehmen trotzdem nicht heraus.
AFFÄRE BEGANN MIT DEM DIENSTWAGEN
Die
Treberhilfe war jahrelang in Berlin die wichtigste Anlaufstelle, wenn
es um Obdachlosenhilfe und Sozialarbeit ging. Die Arbeit der
Sozialarbeiter wurde immer gelobt. Doch mit der "Maserati-Affäre" begann
im Februar 2010 der Abstieg. Ehlerts Dienstwagen, auch die Höhe seines
Gehalts und seine Wohnung in Caputh lösten eine öffentliche Debatte aus,
ob ein gemeinnütziges Unternehmen sich so etwas leisten darf. Die
öffentlichen Auftraggeber kündigten schließlich Verträge in
Millionenhöhe und entzogen dem Unternehmen auf diese Weise nach und nach
die Einkünfte. In Gerichtsprozessen konnte die Treberhilfe zwar
Teilerfolge erzielen, doch Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke), die
sogar Strafanzeige erstattet hatte, versuchte, den freien Träger aus dem
Geschäft zu drängen. Die Treberhilfe habe nicht aktiv an der Aufklärung
der Vorwürfe mitgewirkt, es gebe auch Zweifel an der Zuverlässigkeit
des Trägers. Auch die Finanzbehörden leiteten eine Prüfung ein, die noch
nicht abgeschlossen ist. Die Geschäftsführung der Treberhilfe hingegen
machte die schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand für die
finanzielle Lage verantwortlich. Die Forderungen aus Rechnungen, die die
Treberhilfe an das Land Berlin habe, seien immer größer geworden.
Gideon Joffe ist als Geschäftsführer längst von Stephan Hildebrand
abgelöst worden. Der wollte am Mittwoch keine Stellung beziehen, sondern
verwies auf den Insolvenzverwalter. Dieser bemüht sich unterdessen,
schnell jemanden zu finden, der den Geschäftsbetrieb mit den 147
Mitarbeitern fortgeführt.
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